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Klaus Woltron

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Der Fluch der Spielsucht

Hasardspiel fasziniert Menschen seit Jahrhunderten. Die ersten Funde von Würfeln stammen aus China (3000 v. Chr.). Die alten Ägypter benutzten stilgerecht pyramidenförmige Teile.............

Klaus Woltron

Der Fluch der Spielsucht

„Johann Graf, eine wichtige Auskunftsperson im Ibiza — U-Ausschuss, hat sich krankheitsbedingt und wegen Corona entschuldigt. Letzte Woche wurde er in einem Nobelitaliener gesehen, wie er drei Stunden lang, Zigarren rauchend und quietschvergnügt, mit Gästen über Urlaube und Privates plauderte…..usw.“ (Kronen Zeitung, 24. August 2020). Gesundheit ist offensichtlich „situationselastisch“, wenn man Milliardär ist, wie Johann Graf, Eigentümer des Glücksspielkonzerns NOVOMATIC.

Hasardspiel fasziniert Menschen seit Jahrhunderten. Die ersten Funde von Würfeln stammen aus China (3000 v. Chr.). Die alten Ägypter benutzten stilgerecht pyramidenförmige Teile. Verbote wiederum sind fast ebenso alt wie das Glücksspiel und reichen zurück bis ins 4. Jhdt. v. Chr. Schon die Römer wussten um die verderblichen Folgen der Zockerei: Sie zieht Gesetzlosigkeit an wie das Licht die Motten. Man verbot z.B. das Würfelspiel, nicht aber Sportwetten bei Gladiatorenkämpfen: Zu verlockend waren die hohen Gewinne. Viel später, im Mittelalter, entstanden feste Spielstätten. Ab 1696 ließ Kaiser Leopold I. alle Glücksspiele strafrechtlich verfolgen. Diese Einstellung der Obrigkeit hielt bis ins 19. Jahrhundert an. „Besonderen Abscheu hatte Joseph II auch gegen das verbotene und hohe Spiel, als ein Regent, dem die Wohlfahrt und Moralität seiner Untertanen besonders am Herzen lag.“ (C.A. Schimmer, 1848).

Bald jedoch griff der Staat zu. Im Glücksspielgesetz von 1989 sicherte er sich die Oberhoheit über die „Deppensteuer“. Parallel dazu begann die Geschichte der Novomatic. Fleischermeister Johann F. Graf gründete zusammen mit dem Elektrohändler Gerhard Brodnik 1974 den Import von Flipperautomaten. 1980 rief Graf die Firma Novomatic Automatenhandels GmbH. Ins Leben (u.a. Slotmaschinen, im Volksmund “Einarmige Banditen”). Mittlerweile entwickelte sich die Gruppe zu einem globalen Glücksspielkonzern und beschäftigte 2018 mehr als 30.000 Mitarbeiter, davon rund 3.200 in Österreich. Das Ringen um Lizenzen und Rechte für Spielstätten führte sodann zu zahlreichen bedenklichen Manövern. Deren Chronik liest sich wie eine Anleitung zur systematischen Nutzung von Politikern zwecks Aufbaues eines kolossalen Systems zur professionellen Ausbeutung von Süchtigen. (Für alle Erwähnten gilt die Unschuldsvermutung).

EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) werkte von 1997 bis 2003 im Vorstand der Novomatic, bevor er, gerüstet mit den dort erworbenen Fertigkeiten, zum Zahlmeister der Europäischen Union aufstieg. Ex-Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) fungierte von 2004 bis 2011 als Mitglied des Aufsichtsrates. Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) beriet das Unternehmen und war Aufseher bei einer deutschen Tochtergesellschaft. Sein Rat galt auch den an Glücksspiellizenzen interessierten Geschäftsleuten Tal Silberstein und Benny Steinmetz. Silberstein gründete einen einschlägigen Fonds auf Malta. (Addendum, 12. Oktober 2017). Die frühere Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, leitete ab März 2018 die „Stabstelle für Nachhaltigkeitsmanagement und verantwortungsvolles Spiel“. Angesichts der Entwicklungen scheint ihr Wirken nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Barbara Feldmann (ÖVP) war ab 2014 Mitglied des Aufsichtsrates der Novomatic. Das intensive Interesse hoher FPÖ– Funktionäre an der spendenfreudigen ehrenwerten Gesellschaft führte mittlerweile zum eingangs zitierten parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser erinnert an eine längst vergessene Spielbankenaffäre in Deutschland (1959), als der CSU — Generalsekretär und spätere Bundesinnenminister Zimmermann einen Falscheid schwor: Keine der zahlreichen handelnden Personen wurde jemals zur Rechenschaft gezogen.

Das krankhafte Spielen, das schon zahllose Menschen in den Ruin getrieben hat, einige wenige steinreich und später meist wieder unglücklich machte, führte unzählige Male zu Mord, Betrug und anderen Übeltaten. Der faszinierende Roman „Der Spieler“, den F.M. Dostojewski teilweise aus eigener Erfahrung 1867 verfasste, beschreibt authentisch die Psyche eines Spielsüchtigen. Ganze Verbrechersyndikate, wie die Mafia, die Cosa Nostra und ’Ndrangheta verdanken ihre Profite dem Betrieb von Spielhöllen mit einarmigen Banditen, Black Jack, Poker und Roulette. In deren Schatten wiederum gedeihen Prostitution, Alkoholismus, Geldwäsche, Bestechung und Erpressung. Ein gewichtiger Beitrag zum langsamen moralischen Verfall der Gesellschaft ist dem trügerischen Glauben an das große Glück im Spiel nicht abzusprechen. Es gibt unzählige Beispiele für die Verbindungen zwischen Glücksspiel und Verbrechermilieu. Stoß, ein Kartenspiel, das mit 32 Karten gespielt wird, war früher im Wiener Rotlichtmilieu beliebt. Die Bezeichnungen für die Teilnehmer am Spiel kennzeichnen bestens die kriminelle Umgebung, in dem es stattfand: Zum Personal einer Stoßpartie gehörten der „Saugerl“, der den Spielern zu Wucherzinsen Geld lieh, und der „Schmierer“, der Warner vor der Polizei. Zwei Ganovenkönige kontrollierten Mitte der 1950er Jahre das illegale Stoßspiel und somit die Wiener Unterwelt: Josef Angerler war der Chef, Josef Krista sein Adjutant. Beide landeten nach einem Mord, der nie aufgeklärt wurde, schwer verletzt im Gefängnis. Dieser Vorfall läutete das Ende der Wiener Unterwelt ein, die maßgeblich durch das Glücksspiel dominiert worden war. (DIE PRESSE, 09.05.2018)

Das alles ist lediglich Kleinkram im Vergleich mit Macau, eine 50 Kilometer westlich von Hongkong gelegene Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China. Während im restlichen China das Glücksspiel streng verboten ist, steigen einander in den dortigen Casinos die Spieler gegenseitig auf die Füße. Las Vegas, die künstliche Stadt in der Mojave- Wüste, freilich ist unerreicht. Bugsy Siegel, der ein Wettbüro für Pferderennen betrieb, kaufte Ende 1945 mit Partnern (u.a. Meyer Lansky, Moe Sedway und David Berman) das Glücksspielhotel El Cortez. Alle diese Personen, waren Angehörige der italoamerikanischen Cosa Nostra oder der amerikanischen Kosher Nostra. Teile der Gewinne der Casinos landeten bei den Bossen, welche die Geschäfte aus dem fernen Chicago oder Miami kontrollierten. Bis heute ist Las Vegas eine der gefährlichsten Städte der USA. Es gibt unzählige weitere Beispiele für die zerstörende Wirkung der Spielsucht und ihrer Profiteure. Kennzeichnend für unsere Zeit des Laissez — faire — „lassen wir’s eben laufen“ — ist der Umstand, dass man sich, wie in vielen anderen Fällen, mit der Bekämpfung der Folgen und nicht mit den Ursachen des Übels befasst. Wir sind ein tantenhaftes Rudel von betulichen Diagnostikern geworden, die statt Therapien bloß Symptombekämpfung betreiben. Josef II hatte schon Recht: „Die Gesetze, welche....die sogenannten Hazardspiele verbieten, sind in der heilsamen Vorsorge erlassen worden, dem Untergange sowohl einzelner Menschen als ganzer Familien vorzubeugen...“ Vizekanzler a.D. H.C. Strache und Gemahlin sehen das, schmerzvoll zurückblickend, gewiss ähnlich.

(Foto: (Ralf Roletschek, CC-BY-SA-3.0)

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