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Klaus Woltron

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Einsicht zur Bedrohungslage, 1992

Ein Sturm von Millionen Menschen wird in den nächsten Jahrzehnten auf unseren Wohlstand aufmerksam werden, und es werden uns nur zwei Optionen bleiben:

Klaus Woltron

"...............Das wirkliche und langfristige Problem, das wir zu lösen haben, ist nicht die Umweltfrage in den hochentwickelten Industriestaaten und in den reichen Ländern. Diese Frage kann zwar unter unendlichen Schwierigkeiten und Anstrengungen, aber immerhin doch gelöst werden. Die tödliche Bedrohung liegt anderswo. Der Grund dafür ist relativ einfach:

Es sind ungeheure Ressourcen vorhanden, es wird nur notwendig sein, sie richtig zum Einsatz zu bringen. Wenn das Haus gebaut, Scheune und Keller voll sind und im Stall das Vieh brüllt, ist es leicht, noch einen schönen Blumengarten anzulegen, den Hof zu pflastern und die gute Stube schön auszumalen.

Wenn aber das Dach über dem Kopf davongeflogen ist, das Bett einen halben Meter unter fauligem, lehmigem Wasser steht, wenn die Kinder nach Essen schreien und der Familienvater krank ist, wenn der Feind das Vieh aus dem Stall getrieben und die Scheune angezündet hat, dann kümmert man sich nicht um Ästhetik, um den Rasen vor der Hütte, um die Zusammensetzung des Abwassers, das durch die löchrige Latrine fließt. Man schert sich auch einen Teufel darum, was mit dem Wald sein wird, aus dem man in der Nacht Holz stiehlt und das man verbrennt, um das Wasser für die Kinder abzukochen, damit sie nicht wieder an Ruhr erkranken. Es ist einem völlig egal, ob in zehn Jahren anstelle dieses Waldes eine öde, erodierte Fläche sein wird. Interessant ist ausschließlich: Wie überlebe ich morgen?

Dort liegt die wirkliche tödliche Bedrohung der Menschheit. Und wenn wir für diese Fragen keine Antworten finden, wird es uns nichts nützen, jetzt unsere Stuben zu malen und unseren Rasen zu mähen. Ein Sturm von Millionen Menschen wird in den nächsten Jahrzehnten auf unseren Wohlstand aufmerksam werden, und es werden uns nur zwei Optionen bleiben:

uns mit Brachialgewalt gegen das Eindringen dieser Menschen in unseren wunderschön gepflegten Garten in Europa und Nordamerika zu wehren, unsere Grenzen dichtzumachen und nur die hereinzulassen, die uns belieben.

Dann werden wir zusehen, wie rundherum die Welt weiter in einem Abgrund versinkt und werden uns zu entscheiden haben, wieviel von unserem Wohlstand wir in die anderen Weltgegenden leiten, um eben das Ärgste zu verhindern — auch für uns. Wirklich verhindern aber werden wir nichts können.

Die zweite Option, die uns offensteht, ist, den Sturm hereinzulassen und Millionen verzweifelter, hungernder und verängstigter Menschen aufzunehmen.

Ich bezweifle, ob unsere sozialen Systeme auch nur annähernd in der Lage sind, dies ohne Systemzusammenbruch auszuhalten. Ich glaube, es ist ein gefährlicher Irrtum anzunehmen, daß eine Volkswirtschaft ohne schwerste Erschütterungen kurzfristig auch nur einige Prozente an neuen Mitbürgern integrieren kann.

Auf dem Papier und mit dem Rechenstift ist das natürlich möglich, die nötigen Umverteilungssummen sind ja gar nicht so hoch. Die entstehenden sozialen Spannungen in den Ausbildungsstätten, in den Betrieben, die dadurch ausgelösten Motivationsketten, vollkommen neue Ghettoeffekte geistiger und materieller Art, das Entstehen einer Schattenwirtschaft, das Nicht-mehr-Ausreichen der organisch gewachsenen Regelwerke und ethischen Gebäude wird aber ab einer gewissen Belastung dazu führen, daß die wirtschaftlichen und sozialen Systeme leiden und im Extremfall sogar zusammenbrechen.

Wenn das der Fall ist, dann haben wir den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben — wir haben zwar unsere Tür weit aufgemacht, unsere neuen Mitbürger werden sich aber nach einem gewissen Zeitraum in Verhältnissen befinden, die nicht viel besser, vielleicht sogar schlechter sind als jene, die für sie zuvor bestanden.

Ich meine, wir können auch in diesem Falle nur einen Mittelweg gehen. Wir können nur diejenigen Mitmenschen in unsere Kultur hereinlassen, die diese auch ohne Systemzusammenbruch aushält. Alles, was darüber hinausgeht, würde allen Betroffenen letztendlich schaden. Es wäre eine allzu lineare, naive Vorgangsweise, die letztendlich zum Schaden ausschlüge.

Wir müssen alles einsetzen- Geld, Wissen, Sachen, Experten- um die Situation in den armen Ländern zu stabilisieren. Wir tun aber dann unser Bestes, wenn wir ihnen helfen, sich selbst zu helfen.

Der Beglückungswahn von Missionaren vieler Religionen und politischer Richtungen hat Afrika in ein Armen — und Krankenhaus verwandelt, in dem die Regelung der Bevölkerungszahl zunehmend nicht durch Pillen und Kondome, sondern durch das AIDS-Virus, Typhus und Cholera erfolgt. In Südamerika ist für die nahe Zukunft ähnliches zu befürchten. Diese Art von Selbstregelung und Rückkopplung zur Wiederherstellung stabiler Zustände haben wir sicher nicht gewollt. Unsere Missionare, damalige und heutige, die Geburtenregelung und Familienplanung als des Teufels verdammen, haben ihn in Gang gesetzt.

Sie haben die Verantwortung an das AIDS-Virus, den Cholerabazillus und die Maschinenpistole in der Hand verzweifelter Verhungernder delegiert. Der Teufel, gäbe es ihn, müßte sich ins Fäustchen lachen über seine unwissenden Verbündeten. Wir sollten ihm eine solche Freude nie wieder machen.

Zitat aus "Der Wald, die Bäume und dazwischen, ORAC, K. Woltron, 1992 (vor nunmehr 25 Jahren) 

https://www.amazon.de/Wald-die-B%C3%A4ume-dazwischen-verlorenen/dp/3701502625/ref=sr_1_7?ie=UTF8&qid=1519827599&sr=8-7&keywords=klaus+woltron 

Kommentare
sascha am 06.04.2018 um 17:16 Uhr:

oh, Ihre Worte sind so wahr.

Sascha am 06.04.2018 um 16:33 Uhr:

Sehr verehrter Herr Woltron. Ich durfte Sie heute kurz im ORF-TV erleben. Sie haben meine absolute Verehrung in allen Dingen. Sie sind bewundernswert und Ihre Aussagen und Ansätze einfach genial. Es braucht Menschen wie Sie (und mich). Nur bin ich das kleine Lichtchen, das eben keine große Lobby hat. Aber ich bewege Dinge im Hintergrund. Ich werde alle Ihre Bücher lesen, naja, eher aufessen. Ich mag die alten Philosophen sehr gerne, besonders Seneca. Und ich halte es mit Ihm: Suche Dir zur Gesellschaft Menschen, Gleichgesinnte; entwedfer von denen Du lernen kannst oder die von Dir lernen möchten.
In diesem Sinne, und mit den allerbesten Grüßen Ihre Nadja Sascha Abbas