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Klaus Woltron

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Frau Vassilakous Pudel oder die vielen Gesichter der Wahrheit

Eine als wahr erfundene Geschichte.

Frau Vassilakous Pudel oder die vielen Gesichter der Wahrheit


          Vorausgeschickt sei, dass diese Geschichte natürlich frei erfunden ist. In Wien, der Stadt der unbegrenzten Unmöglichkeiten, könnte sie jedoch wie geschildert geschehen sein — vielleicht noch nuancierter und spektakulärer als sie erfundener Weise ohnehin schon ist. Das besondere Lokalkolorit allerdings liefern die folgenden Berichte in den Medien. Diese, den Anspruch auf die nackte, dürre Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr ihnen Gott und die Presseförderung helfe, erhebend, seien als Kaleidoskript des Vorgangs nachstehend angeführt. Man kann daraus unschwer erkennen, wie das Sein das Bewusstsein auch des objektivst- sein- wollenden Berichterstatters prägt. Ganz zu schweigen von Parteizugehörigkeit oder ideologisch — kultureller Prägung.

Das nackte Faktum.

Am 15. Oktober 2015, einem außergewöhnlich warmen Herbsttag, wurde in der neu eingerichteten „Fußgängerzone Mariahilferstrasse“ der 3-jährige Pudelrüde „Odysseus“ der Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von einem Citybike — Fahrer umgestoßen. Hierbei geriet der Schwanz des Tieres in die Speichen des Rades und wurde am Rumpf abgetrennt. Der Fahrradfahrer entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit von der Unfallstelle und konnte trotz Einsatzes der Polizei nicht identifiziert werden. Der Hund wurde von einem benachbarten Tierarzt versorgt, der Schwanz konnte nicht mehr gefunden werden. Er dürfte offensichtlich von einem Passanten unbeobachtet vom Unfallort verbracht worden sein.


DIE PRESSE
Befürchtungen bestätigt:
Mahü: Radfahrer gefährdet erneut Passanten und Tiere


Gastronomie und Gewerbetreibende rund um die Mariahilferstrasse fühlen sich in ihren Befürchtungen und Beschwerden bestätigt. Die immer ungebärdiger und rücksichtsloser rasenden Radfahrer, in ihrer neu gewonnen Überlegenheit über Fußgänger und Autofahrer, verlieren offensichtlich jedes Maß. Der jüngste Vorfall — der weiße Königspudel der Vizebürgermeisterin wurde Opfer eines rücksichtslosen Fahrradrowdys — markiert den vorläufigen Höhepunkt des Versagens des von den Grünen in ihrem naiven Bekenntnis zur Selbstregulation des Verkehrs und dem Guten im Menschen gestarteten Projekts.
Es ist zu befürchten, dass bei weiteren derartigen Vorkommnissen der Glaube sogar des eingefleischtesten Gutmenschen an das umstrittene Vorhaben ernstlich erschüttert werden könnte. Tierschützer haben bereits ihren Abscheu artikuliert und zu einer Protestdemonstration auf der Ringstraße aufgerufen.
Bgm. Häupl hat es bemerkenswerter Weise abgelehnt, seine Meinung zu dem bedauerlichen Vorfall — es ist nicht der erste — zu äußern. Aus ÖVP — Kreisen ist zu hören, dass es in der Rathauskoalition deshalb merklich kriselt.


DER STANDARD
Attentat auf Vassilakous Pudel noch immer nicht aufgeklärt. Pürstls Rücktritt gefordert

Die von einem Hooligan verursachte Kollision mit dem Hund Maria Vassilakous wirft ein bezeichnendes Bild auf den Missbrauch der Zusammenarbeitskultur der Verkehrsteilnehmer der Mahü: Ein von Beobachtern als Hooligan mit Stoppelglatze und Springerstiefeln beschriebener, etwa 35jähriger Raser hatte es offensichtlich auf eine Kollision mit dem freilaufenden, bekannt friedfertigen und nichtsahnenden Tier abgesehen und verschwand so schnell wie er gekommen war. Es dürfte sich um eine gezielte Provokation einer Gruppe rechtsgerichteter Akteure handeln, die schon mehrfach durch Umstürzen von Mülleimern, Beschmieren von Plakaten der Grünen („Fort mit den Nestbeschmutzern!) und Rasen mit blauen Fahrrädern und FPÖ — Emblemen aufgefallen waren.
Dass die bekannte Einäugigkeit der Wiener Polizei wiederum dazu führte, dass der Täter bis jetzt — trotz detaillierter Personenbeschreibung u.a. durch den Grünenstadtrat Ch. Chorherr, der entsetzter Augenzeuge der Schandtat werden musste — nicht ausgeforscht werden konnte, hat zu einer Anzeige gegen Präs. Pürstl wegen Vernachlässigung der Amtspflichten geführt.


Kronen Zeitung
Dyssi geht’s wieder besser: Vassilakou noch erschüttert

Er frisst schon wieder, der von einem herzlosen Bike — Raser verletzte (Passanten beschreiben ihn als dunkelhäutig und schwarzbärtig, obgleich die Angaben stark voneinander abweichen) Pudel Odysseus, von der Frau Vizebürgermeister zärtlich „Dyssi“ genannt. Bgm. Häupl hat trotz der späten Stunde Polizeipräsident Oberst Pürstl persönlich beauftragt, den unverantwortlichen Biker mit allen Mitteln und auch unter Rückholung von an der steirischen Außengrenze tätigen Beamten dingfest zu machen.
FPÖ — Obmann H.C. Strache hingegen stellt in einer eiligen OTS — Aussendung fest, dass offensichtlich fremdländische Elemente die allzu liberale Verkehrsordnung (man sei immer schon skeptisch gewesen!) auf der Mahü gewissenlos ausnützten, um die wenig tierliebenden Sitten anderer Kulturkreise an der armen hilflosen Kreatur auszulassen. Solches könne man bestenfalls in der Wüste, nicht aber im Dunstkreis unserer europäischen Werte tun.
Die Frau Vizebürgermeister selbst konnte wegen ihrer seelischen Erschütterung (Dyssi ist innerhalb der Grünen Bewegung ihr treuester Freund und die einzige unbeugsame Stütze im Unbill der politischen Ärgernisse) noch keine Stellungnahme abgeben und befindet sich in psychischer Betreuung.


KURIER
Pudel Odysseus büßt Schwanz ein — Vassilakou untröstlich


Der KURIER — Herausgeber persönlich kommentiert den bedauerlichen Fahrrad — Unfall auf der Mahü, welcher den Pudel Vassilakous seines wohlgepflegten Schwanzes beraubte und die Frau Vizebürgermeister gramgebeugt zurückließ (wir haben kurz berichtet) in seiner täglichen Glosse folgendermaßen:
„Es darf nicht wundern, dass bei der aktuellen Verkehrsbelastung der Mariahilferstrasse durch gegeneinander wuselnde Verkehrsteilnehmer ein freilaufender Hund zum Opfer der bekannt rücksichtslosen Fahrradfahrer wird. Der bedauernswerte, schwer verletzte Pudel der Frau Vizebürgermeister, seines Schwanzes und Selbstbewußtseins beraubt, wurde ein Opfer der Zerstreutheit und Vertrauensseligkeit seiner Besitzerin, welche sich schon öfter politisch verheerend bemerkbar gemacht hat. Davon zeugt auch die unverantwortliche Äußerung vor der Wahl, sie würde bei einem Stimmenverlust zurücktreten, was nachher nicht erfolgte. Die Vernachlässigung des ihr anvertrauten hilflosen Tieres ist nur ein, allerdings besonders bedauerlicher und markanter, Höhepunkt in der Reihe ihrer Fehlleistungen, für die andere die Rechnung zu bezahlen haben: Dieses Mal leider ein unschuldiges Tier.“


NZZ.at
Mancher Schwanz ist gleicher. Was wir immer schon sagen wollten.

Es ist nämlich so: Dass ausgerechnet Frau Vassilakous’ Odysseus eines der ersten Opfer der Mahü — Neuregulierung (wir haben in den „Nachrichten“ kurz berichtet) wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, und auch historischen Tragik. Es mag, angesichts der großen Anstrengungen um die Erzielung von Gleichberechtigung und Selbstregulation der Verhältnisse zwischen Auto — und Radfahrern sowie Fußgängern als eine böse Fügung des Schicksals — vielleicht herbeigezogen von den vielen halb verschluckten Flüchen der im Kreis fahrenden Parkplatzsuchern oder der in Panik zur Seite springenden Fußgänger — erscheinen, dass keiner der üblichen Verdächtigen das Opfer der verkehrsmäßigen Einstallung (sic) wurde, sondern ein Außenstehender: Ein armer Hund. Und — ausdrücklich sei es erwähnt: Ein Odysseus, der ohne Schwanz zu seinem untröstlichen Frauerl heimkehrt, lässt selbst eine maßlosen Kummer gewohnte Penelope in ihrem Grab im fernen Ithaka rotieren. Nicht vorzustellen, wäre dieses schmähliche Schicksal ihrem gleichnamigen Gemahl widerfahren! Selbst das beste Bogenspannen hätte einen solch massiven Verlust nicht mehr ausgleichen können.

All dies zusammen lässt uns den bemerkenswerten Vorfall kulturpolitisch noch markanter erscheinen, als er verkehrspolitisch schon sein mag. Unser Mitgefühl ist jedenfalls bei den Betroffenen.

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