Menschen wollt ihr ewig leben?
Es beginnt langsam und unmerklich ....
.........Zuerst vermutet man, es sei der Ischias, wenn beim Radfahren die Hüfte schmerzt. Der Physiotherapeut hilft, aber nicht genug. Wenn’s nicht und nicht aufhören will, setzt man seinen Corpus den Röntgenstrahlen aus, und — siehe da! Das Hüftgelenk ist defekt. Der Automechaniker spräche von einem „Kolbenreiber“. Wie beim immer mehr in Ungnade fallenden Verbrenner empfiehlt sich sodann der Ersatz der beschädigten Originalteile, diesfalls durch eine Hüft-Endoprothese, ein Mordstrumm aus Titan und High-Tech-Kunststoffen. Das hält bis zu fünfundzwanzig Jahre. Im Verlauf eines Vierteljahrhunderts aber wird man längst gelernt haben, neue Knorpelzellen zu züchten und den Verreiber sanft von innen zu kurieren. Dieses Kunststück und vieles andere wird man den mRNA — Heilmitteln zu verdanken haben. BioNtech-Gründer Ugur Sahin: „In 15 Jahren wird ein Drittel aller Arzneimittel auf der mRNA-Technik basieren.“ Wie funktioniert das?
Die Erbsubstanz DNS (Desoxyribonucleinsäure, engl. DNA) im Zellkern enthält Bauanleitungen für neue baugleiche Eiweißstoffe. Damit eine DNA-Anleitung aktiv werden kann, muss zunächst eine „Blaupause“ erstellt werden: die mRNA. Wie ein Bote (englisch: Messenger) transportiert sie die abgepauste Bauanleitung zur Baustelle der Zelle, wo die Proteine zusammengebaut werden- wo neues Eiweiß zum Weiterwachsen erzeugt wird. Daher die Abkürzung mRNA: messenger-RNA (RiboNucleinAcid). Die mRNA-Moleküle gehen, wie zerfledderte Baustellenzeichnungen auch, schnell kaputt- erst recht, wenn man den Zellkern „überlisten“ will und sie durch eine Injektion in den Körper gelangen. In der Evolution hat das Immunsystem nämlich gelernt, dass fremde mRNA zu krankmachenden Mikroorganismen gehören kann. Aus diesem Grund bekämpft es sie umgehend und zerlegt sie in ihre Bestandteile, wird dabei oft auch immun gegen nächste Angriffe, lernt. Für einen therapeutischen Ansatz erschien die mRNA deshalb lange Zeit ungeeignet. In den letzten Jahre gelang es, diese Hürden zu überwinden und bestimmte mRNA in die Zelle zu schmuggeln, ohne dass sie zerstört wurden. Diesen Kunststücken verdanken wir u.a. den COVID-Impfstoff von BioNtech–Pfizer.
Solcherart betrachtet, wurde ich zu früh geboren. Ich meine nicht die üblichen neun Monate, die ich pünktlich, während meine Mutter auf der Flucht vor den Russen unterwegs war, abschloss. Das Geburtsdatum selbst lag zu früh. Liest man, welche Fortschritte die Gentechnik in den letzten Jahren machte, und bedenkt, wie viele Krankheiten bald nicht mehr unheilbar sein werden, wünschte man sich, trotz aller Fortschrittsskepsis, die Gnade einer späteren Geburt. Das insbesondere dann, wenn man seine Tage hinkend zubringt. Eine eventuelle üble Nachricht vom Internisten wird sodann hoffentlich auch an Schrecken verloren haben.
„Homo Deus“, Gottmensch, betitelte Yuval Noah Harari seine Gedanken über unsere Zukunft. Er nimmt an, das nächste Projekt der Menschheit werde der Griff nach der Unsterblichkeit sein. Dank Fortschritten in der Biotechnologie und künstlicher Intelligenz könnte der Homo sapiens zum gottähnlichen Homo Deus avancieren. Einer, der es wissen sollte, widerspricht: Sir Paul Nurse, britischer Genetiker und Biochemiker (Nobelpreis 2001). Niemand könne ewig leben, betont der Gründungsdirektor des Francis-Crick-Institute in London. „Die Existenz nützt sich ab und die Konsequenz ist, dass wir nicht ewig leben. Es wäre auch nicht sinnvoll, denn es hätte ernsthafte Konsequenzen, wenn wir die Bevölkerung nicht durch Nachwuchs ersetzen würden. Die Perspektive Tod mag uns zwar nicht glücklich machen, aber er ist vermutlich die beste Lösung für die Menschheit.“
Soweit die Extreme. Was aber erwartet uns in den nächsten Jahren? Im Gegensatz zu Schwärmern vom ewigen Leben glaube ich BioNtech-Gründer Ugur Sahin. Er hat mit seiner Firma den erfolgreichsten Anti-COVID-Impfstoff entwickelt, hunderttausenden, wenn nicht Millionen, Menschen das Leben erhalten und ist damit zum Milliardär geworden. Die Zukunftshoffnungen der Forschenden sind kühn. Man könnte Zellen dazu programmieren, heilsame Proteine herzustellen: Krebsmittel, Impfstoffe, Wachstumsfaktoren, künstliche Gewebe. Es würde möglich, den menschlichen Körper individuell gegen Tumorzellen zu immunisieren. Umgekehrt versucht man, ein allzu aufgeregtes Immunsystem zu beruhigen. Davon profitierten Menschen mit Autoimmunkrankheiten: Allergien, Rheumatismus, Schuppenflechte, Colitis, Multiple Sklerose &Co. Und last, but not least, wird auch die Endoplastik im Hüftgelenk der Hatschenden überflüssig: Chondrozyten sind rundliche Zellen in den Gelenken, aus denen das Knorpelgewebe besteht. Wenn diese ihre Aufgabe nicht mehr ausreichend erledigen, entsteht Arthrose: schmerzhaft und unheilbar. Nur das starke Metallteil kann derzeit helfen. Ein mRNA-Medikament sei wohl die einzige Chance auf Hilfe von innen, sagt Keiji Itaka vom Institute of Biomaterials and Bioengineering der Tokyo Medical and Dental University.
Ich bin sicher, dass sich die erfahrenen Orthopädie-Profis auf der steirischen Stolzalpe in der Steiermark mit diesem Herrn längst ins Einvernehmen gesetzt haben. Immerhin sind sie Spitze in ihrer Kunst. Ich weiß, wovon ich rede.