Die Macht der Gerüche

Gerüche gehören zu den elementarsten Erfahrungen. Jeder kennt die plötzlich im Gedächtnis ablaufenden Filme, die ein längst vergessen geglaubter Duft auszulösen vermag. Ich glaube, dies hängt ganz einfach damit zusammen, dass der Geruchssinn und sein Bruder, der Geschmack, zu den ersten Empfindungen gehören, die ein Menschenkind erfährt, als hilfloses winziges Wesen.

Einer derjenigen Eindrücke, den ich niemals vergessen werde und der immer jung in meiner Seele liegen wird, weil er mit Geruch verbunden ist, war der, als ich zum Geschwister von Hunden wurde. Das kam so…..

In der Kinderstation

Die Kinder unserer schönen braunen Hündin Brigga wuchsen heran und begannen, die Hunde­hütte ganz schön auszufüllen. Diese Hütte stand im Inneren des Heubodens des Bauernhofs meiner Oma und war durch ein in dessen Wand gesägtes Loch mit dem Garten verbunden. Eines Tages, als es regnete, kam ich auf die Idee, zu Brigga und ihren Jungen ins Nest zu kriechen. Ein Fünfjäh­riger ist klein genug, um in einer Hundehütte Platz zu fin­den, und bei Brigga war ich immer willkommen. Ich schlüpfte also in das finstere Loch und befand mich dort in Gesellschaft von sechs mun­teren Hundebabys sowie deren ruhiger ernster Mutter. Es war stockfinster im Nest, die klei­nen Hunde erfüllten den ganzen Raum. Sie waren neben, unter, über mir, leckten mich mit ih­ren winzigen Zungen, knabberten mit ihren spitzen Milchzähn­chen an mir, brunz­ten mich an und rochen so inten­siv nach Hund, wie das ein großer Hund nie könnte. Und dann begann  auch noch die Hundemutter, ruhig und sorg­fältig mein nasses Kinderge­sicht zu belecken, wie ihren eigenen Kindern auch.

Unvergesslich

In die­sem Moment fühlte ich mich als Hundebaby, eingeku­schelt, riechend wie ein Hund, nass vom Urin meiner Geschwi­ster und im Gesicht die liebende Sorgfalt meiner mich wa­schen­den Mutter. Ich glaube, ich bin sogar ein­geschlafen.

Nie mehr werde ich jenen warmen, sanften Geruch vergessen, der in die­ser Hütte herrschte.