Gewidmet allen, die sich betroffen fühlen
Ein Säbelzahntiger saß kurz vor Weihnachten beim Psychiater. Es war vor etwa 30 Millionen Jahren. Er wusste nicht, dass Weihnacht war, denn der Herr war noch nicht auf die Erde gekommen.
Eine Verirrung
„Ich bin unglücklich“, so begann er. „Das bisherige Leben habe ich darauf verwandt, meinen Stolz, mein Glück, meine Ehre: Meine schönen, langen Eckzähne zu pflegen. Mutter, Geschwister, meine Freunde – alle haben mir eingeschärft, sie möglichst lange wachsen zu lassen, eben ein angesehener, würdiger, wahrhaft ehrfurchtgebietender Säbelzahntiger zu werden. Das habe ich getan: Beste Nahrung, Großwild, Gaumenmassage durch Rindenfressen, Waschen in den Heiligen Quellen.“

Der Preis der Macht
„Und?“ fragte der Psychiater. „Wo ist das Problem?“ „Ich kann nicht mehr richtig laufen. Meine Zähne schleifen auf dem Boden, beim Schlafen stören sie mich, zu saufen vermag ich auch nicht mehr richtig. Ich habe den Verdacht, dass mein ganzer Stolz, meine Freude, das Einzige, was mich bisher ausmachte, nur dazu da ist, mich vor den anderen groß und mächtig zu machen. Ich selbst aber bin knapp dran, zu sterben.“
Ein guter Rat
„Lass sie Dir reißen“ sagte der Psychiater.
„Du hast ja noch Zähne genug“. „Und dann? Die Tigerinnen werden mich nicht mehr um-schnurren, die Kollegen lachen mich aus, die Mutter schämt sich meiner. Das geht nicht.“
„Dann stirb; angesehen, stark und mächtig“. (Der Psychiater war einer von der modernen Sorte, der mit der kerzengeraden Schockmethode schon große Erfolge erzielt hatte). Der Tiger versank in Schweigen und schlich davon. Seine Eckzähne furchten eine tiefe Spur in den Boden.
Überraschung
Am Morgen des Weihnachtstages erschien er wieder beim Psychiater. Seine Eckzähne waren abgeschnitten, statt der dräuenden Spitzen zierten feine Goldringe die Stümpfe. Sein Schritt war federnd, das Fell glänzte. „Was sagt man nun in der guten Gesellschaft?“ grinste der Psychiater. „Du wirst es nicht glauben! Anfangs haben sie gelacht. Dann stutzten sie. Und jetzt nie hätte ich das gedacht! – beneiden sie mich! Die Goldringe an den abgesägten Zähnen sind ein Modehit geworden“.

„Siehst Du!“ brummte der Psychiater.
„Und was machst Du heute abends?“
„Ich… ich feiere mit den Zebras. Die mögen mich jetzt auf einmal auch alle.“
„Und was frisst Du so den ganzen Tag?“
„Hmmm… Mäuse, Hühner; Zofu, Eier….. Kleinvieh eben. Schau, wie schlank ich bin.
“Fröhliche Weihnachten“ brummte der Psychiater (er war weise und konnte ein wenig in die Zukunft sehen). „Brauchst nicht wiederkommen“.
Gewidmet diesen Herren- und allen Ihresgleichen


Eine Antwort
Gut gebrüllt, Tiger!
Und die Moral von dieser Freud`schen Analyse:
Nachdem immer mehr auch schon die Jungen betroffen sind, hätte die Partei der Impotenten zumindest das “ Potential“ zur Absoluten!