Der Gipfel- Schock

Am 16. Oktober verlautete aus den USA, dass sich die Präsidenten Trump und Putin im Oktober in Europa treffen wollen. Nicht in Berlin, Paris oder gar Brüssel- nein! Ausgerechnet im Lande Orbans, des Ober-Bösewichts wird man sich zusammensetzen. Das gesamte EU- Personal gerät damit in eine Zwickmühle. Auch die Kommentatoren sind bereits zutiefst aufgewühlt. Wer wird in die Höhle des Parias in Budapest pilgern, um sich dem Weltenherrscher Trump in gewohnter Manier andienen zu können? Wie kann man einen angemessenen Bogen um Putin machen, um nicht als Abweichler von der E U- Linie oder, anders betrachtet, Spielverderber bei Friedensverhandlungen zu gelten?
Putin verhaften!

Das deutsche Außenamt beeilte sich betulich, Ungarn daran zu erinnern, dass gegen Putin (wie auch gegen Netanyahu) ein internationaler Haftbefehl vorliegt. „Wir erwarten auch Präsident Wladimir Putin mit Respekt“, konterte Ungarns Außenminister Szijjártó. Ungarns Regierung garantiere dem russischen Präsidenten eine ungehinderte Ein- und Ausreise aus Ungarn sowie die erfolgreiche Durchführung seiner Verhandlungen. Hierzu sei keine Abstimmung mit irgendjemandem erforderlich, „da wir ein souveränes Land sind“, sagte der Minister weiter. Frage: Welche Position ist klüger und erfolgversprechender– jene des moralingetränkten deutschen Dickhäuters im Porzellanladen, Johann Wadephul, oder die des nach Frieden strebenden Szijjártó?
Auch unsere stets waffenbegeisterte Außenministerin legte sich ins Zeug – mit dem erwartbaren Ergebnis.Im TV (PULS 24) am 30. April d.J befragt, ob sie Wladimir Putin verhaften lassen würde, betrete er österreichischen Boden, antwortete unsere Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, aus der Hüfte wie stets: „Wir würden ihn verhaften. Das ist so. Es gibt aus gutem Grund einen Haftbefehl gegen ihn. Wir sind nicht die Ungarn, die sagen: „Wir fühlen uns nicht an Recht gebunden.“ O-Ton Meinl-Reisinger, Oktober 2025: „Die Neutralität schützt nicht und ist kein Sicherheitskonzept. Österreich ist Zielgebiet, auch für Spionage. Man kann nicht den Kopf in den Sand stecken.“
Nach Meldungen über russische unbewaffnete Pappdrohnen, die über ihre Ziele in der Ukraine nach Polen hinausflogen) weigerte sich der ungarische Außenminister Szijjártó, Russland die Schuld an einer „Aggression“ zuzuschreiben. Meinl-Reisinger warf ihm in der Folge „Verweigerung der Realität“ und „Sabotage der EU-Einheit“ vor.
Kanzler Stockers Angebot

Bundeskanzler Christian Stocker bot nach all diesen Insulten am 19. August 2025 Wien hoffnungsfroh als potenziellen Tagungsort für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg an. Sie sollten ausdrücklich Verhandlungen mit Wladimir Putin umfassen. Dieses Offert entbehrt nicht einer tragikomischen Komponente: Angesichts der Wutpolitik der Außenministerin war es sonnenklar, dass dieses Offert ihres Vorsitzenden niemand ernstnehmen würde, auch sie selbst nicht mehr.
Der Lohn des Paria

Ungarn unter Viktor Orban wurde längst zum Paria unter den EU-Staaten erklärt. Seine störrische Politik in Fragen der Migration, der Unterstützung der Ukraine und des Verhältnisses zu Russland steht in vielen Aspekten im Gegensatz zur USA-hörigen offiziellen Linie der EU. Geht man in der Untersuchung der tatsächlichen Folgen für Ungarn etwas in die Tiefe, offenbaren sich freilich erstaunliche Einzelheiten.
Ungarn bezieht etwa 80–85 % seines Erdöls und Erdgases aus Russland. Es genießt dadurch gegenüber den meisten EU- Staaten, die sich auf Flüssiggas aus den USA etc. konzentrieren, einen Preisvorteil von bis zu 25%. Dieser kommt den Endverbrauchern und der Industrie zugute. Der Ausländeranteil beträgt nur 2,7 %, die Anzahl von Straftaten/100.000 Einwohner liegt bei 1667, weniger als ein Drittel jener in Österreich. Probleme mit kulturfremden Zuwanderern gibt es wegen einer sehr restriktiven Migrationspolitik praktisch keine.
Ungarns Erfolge

Unser kleiner Nachbarstaat mit 9,6 Einwohnern hat in den letzten zehn Jahren (2015–2025) nicht zuletzt wegen dieser Vorteile eine starke Anziehungskraft für ausländische Direktinvestitionen entfaltet. Dazu kommen die strategische Lage in Zentraleuropa, eine günstige Steuerpolitik und der Fokus auf Hochtechnologie. Über 150.000 neue Arbeitsplätze wurden durch die Ansiedlung internationaler Konzerne geschaffen. Hervorstechend sind die Batterieproduktion (CATL, Samsung), Automontage (BMW, Audi, Mercedes, BYD) und Medicare (SANOFI).
Während Ungarn still und leise all seine Vorteile analysierte und in praktische Erfolge für seine Bürger ummünzte, ließ sich die österreichische Diplomatie im Rahmen des EU- Korsetts in sinnlose Gefechte mit Sanktionen und moralinsauren Alibiaktionen verwickeln. Das Ergebnis lässt sich zahlenmäßig an den katastrophalen Budget- und Arbeitslosigkeitsziffern ablesen.
Zwischen den Füßen von Giganten
Viktor Orban, Wiedergeburt des traditionellen „Banus“ (awarischer Fürstentitel) hat es hingegen verstanden, mit großem Geschick gegen alle Widerstände einen erfolgversprechenden Platz zwischen Ost und West, der EU, Russland und China zu finden und damit eine kleines Singapur zwischen den Blöcken zu begründen. Wie sagte doch einst Lee Kuan Yew, Gründer des reichsten Landes Asiens? „Man muss sich mit den Realitäten arrangieren. Zwischen den Füßen von mehreren Elefanten ist genug Platz für die Kleinen. Unter einem einzigen großen grauen Freund ist keiner“.
Genau dort aber hat sich Österreich niedergelassen: Am hinteren Ende.
